Wanderfalter Distelfalter auf SArdinien
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Faszination Wanderfalter auf Sardinien


Das bekannteste Beispiel für Wanderfalter ist der Amerikanischen Monarchfalter (Danaus plexippus). Die Massenwanderungen dieser Tiere gehören zu den intensiv untersuchten Phänomenen im Bereich Tiernavigation. Im Herbst fliegen sie aus Nordamerika 3500 Kilometer weit in ihr Winterquartier in Mexiko. Dort sammeln sie sich in einer gebirgigen Waldregion, wo sie, an den Ästen der Bäume hängend, überwintern. Im Frühling beginnt der Rückflug, dessen Ziel aber erst eine der nächsten Faltergenerationen erreichen. Im Dezember 2015 konnte ich zu meiner großen Freude an der mexikanischen Pazifikküste Fotos von diesen Navigationskünstlern machen.

Zum Vergrößern kannst du in die Fotos hineinklicken.

Auch einige der Schmetterlinge, die im Sommer in Europa auftauchen, haben lange Wanderungen hinter sich. (Wenn es dich interessiert, wie viele und welche Arten das sind, findest du auf dem Portal für Schmetterlinge und Raupen eine Liste mit Wanderfalter-Arten.) Im letzten Jahr las ich in dem Buch Unglaubliche Reise – vom inneren Kompass der Tiere von David Barrie (London 2019, dt.Malik Verlag 2022) mehr über den aktuellen Forschungsstand zu Wanderfaltern. Dort heißt es, dass die Distelfalter, was die zurückgelegten Reise-Kilometer betrifft, es durchaus mit den Monarchfaltern aufnehmen können: „Millionen dieser Insekten verlassen im Frühling Nordafrika und ihre Nachkommen erreichen nach mehreren Generationen schließlich Nordeuropa, wo sie in großer Zahl brüten. Ihr Nachwuchs wandert dann wieder nach Süden, um dem Winter auf der Nordhalbkugel zu entfliehen. Diese Reise ist beinahe ebenso lang, wie die des Monarchfalters.“

Im November 2024 konnte ich an der sardischen Westküste einen Schwarm durchziehender Distelfalter beobachten und fotografieren. Ein faszinierendes Erlebnis und ein richtiger Anstubbser für weitere Recherchen zum Thema Wanderfalter. Am Anfang waren die zusammen-getragenen Informationen gelegentlich widersprüchlich. Hilfreich ist in diesem Fall ein Blick auf das Veröffentlichungsdatum der verwendeten Quellen. In den letzten Jahrzehnten hat sich durch den Klimawandel das Wanderverhalten mancher Arten verändert. Auch neue Forschungs-ergebnisse sind hinzugekommen und haben zu einem besseren Verständnis einiger Phänomene geführt. Ein paar Ergebnisse meiner Nachforschungen habe ich hier für die beiden Wanderfalterarten Admiral und Distelfalter zusammengestellt.

Admiral

Der Admiral (Vanessa atalanta) ist in Nordafrika, Europa und bis nach Asien präsent. Im älteren Publikationen wird der Admiral noch als Langstrecken-Wanderfalter beschrieben, der in zwei Wochen die 2000-3000 Kilometer lange Reise von Nordafrika bis nach Mitteleuropa bewältigt. Durch eine mittlerweile eigenständige mitteleuropäische Population ist das nicht mehr aktuell, berichtet zum Beispiel der NABU, der auf naturgucker.de ein Meldeportal unterhält. Es gibt mittlerweile regionale mitteleuropäische Populationen, die von ihrem Gebiet aus im Frühjahr nordwärts ziehen. 2-3 Generationen später wandern ihre Nachkommen im Herbst wieder südwärts. Dort paaren sie sich im Spätherbst/Frühwinter. Die neue Generation wandert dann im Frühjahr vor der Paarung wieder nach Norden.

Diese saisonale Wanderung ermöglichst es ihnen, neue Lebensräume als Futter- und Fortpflanzungs-Reviere zu nutzen, die für sie nicht dauerhaft bewohnbar sind. Zur Eiablage suchen die weiblichen Falter Brennnesseln (= Raupenfutterpflanze) auf. Die Raupe spinnt sich in den Blättern ein Nest. Die charakteristischen, zusammen gesponnenen Blatttüten sieht man gelegentlich beim Spaziergang am Wegesrand. Für mitteleuropäische Populationen wird von Flugstrecken im Frühjahr bis Südskandinavien und im Herbst zurück bis in den Südwesten Deutschlands berichtet.

Distelfalter

Wie der Admiral ist auch der Distelfalter ein Mehr-Generationen-Wanderer. Auf GEO.de wird unter dem Titel „4000 Kilometer am Stück: Die Rekordwanderung des Distelfalters“ im Februar 2025 diesem Tagfalter ein Artikel gewidmet. Dort heißt es, dass die Wanderung südwärts, also von Nordeuropa nach Afrika als Non-Stopp-Flug zurückgelegt wird, während die entgegengesetzte Richtung von Afrika über Südeuropa, Mitteleuropa bis nach Nordeuropa in Generationen-Etappen bewältigt wird. Jede Generation absolviert nur eine Teilstrecke. Im Spätwinter beginnt die erste nordwärts Etappe von Afrika über das Mittelmeer. Es folgt die Eiablage in Südeuropa. Die Raupen, häufig an Disteln und Brennnesseln, spinnen sich, wie beim Admiral, das Blatt zu einem geschützten Versteck zusammen. Ab März erscheinen dann dort die nächste Generation, von der ein Teil weiter nach Mitteleuropa zieht. Nach weiteren 2-3 Sommer-Generationen fliegen die Nachkommen, wenn es beginnt kälter zu werden, dann ohne Zwischenstopp in den Süden. In den Jahren 2003, 2009 und 2019 wurden Schwärme von Millionen Distelfaltern beobachtet (s.a. naturgucker.de). Alpenpässe als Flugkorridore sollen tolle Beobachtungsposten gewesen sein.

Für wandernde Tagfalter wie Admiral oder Distelfalter wird angegeben, dass diese ihre Flügel mit etwa zehn Schlägen pro Sekunde bewegen können. Damit erreichen die kleinen, nur wenige Gramm bis zehntel-Gramm „schweren“ Tiere Geschwindigkeiten von 7-15km/h – mit Rückenwind auch mehr. Schon die langsameren unter den Zugvögeln sind deutlich schneller (>=40km/h). Diese jedoch werden wiederum übertroffen von den Schwärmern. Mit einer Frequenz von 70 Schlägen pro Sekunde kommen sie auf ein Flugtempo von 50km/h. Das Taubenschwänzchen erreicht sogar 60km/h und mehr. Die hohe Reisegeschwindigkeit erlangen Wanderfalter jedoch nicht nur durch ihren Flügelschlag. Sie lassen sich auch von schnellen Winden mittragen. Beobachtungen von mehr als 1000 Admiralfaltern im September auf ihren Weg von Finnland in den Süden zeigten, dass fast alle den Nordwind zur Unterstützung des Fluges nutzten. Drehte der Wind, blieben sie am Boden. Woher wissen die Tiere das?

Als ich anfing mich intensiver mit dem Thema zu beschäftigen, lernte ich auch, dass die aus Afrika anreisenden Schmetterlinge unterschiedliche Flugrouten benutzen: Eine führt über Gibraltar, Spanien und Frankreich, eine andere über Sardinien, Korsika und die Alpen, eine weitere über die Türkei und den Balkan. Damit lebe ich also in einer Schmetterlings-Überflugschneise. Wunderbar! Das heißt allerdings nicht, dass hier im Herbst alle paar Tage Schmetterlingsschwärme auftauchen. Es ist eher so, wie bei den herbstlichen Starenschwärmen: Manchmal hast du Glück und siehst für ein paar Stunden den spektakulärsten Starenschwarm aller Zeiten. In den nächsten Jahren schaust du dort zur selben Zeit wieder erwartungsvoll in den Himmel, doch die Vögel schwärmen an irgend einem anderen Ort. Eine Reisegruppe Afrikanischer Monarchfalter begegnete mir auf Sardinien vor 12 Jahren. Seitdem sehe ich jedes Jahr einzelne Tiere fliegen, hatte aber bisher nie wieder das Glück, einer ganzen Gruppe zu begegnen.


Wie wissen die Falter, wohin sie fliegen müssen? Und wie finden sie ihren Weg? Warum fliegen einige über Gibraltar, andere über den Balkan? Wie genau die faszinierende Langstrecken-Navigation bei Schmetterlingen funktioniert, auf welchen Sinneswahrnehmungen sie basiert, ist sehr viel weniger erforscht, als bei Zugvögeln. Wie die Tiere jeder Generation ihre Flug-Navigation bewältigen, ist nicht restlos verstanden. Vermutet wird eine genetische Komponente in Verbindung mit der Fähigkeit nach dem Stand der Sonne zu navigieren (zeitkompensierter Sonnenkompass) und Windströmungen zu nutzen.

In seinem oben erwähnten Buch berichtet David Barrie über einige Untersuchungen zum Thema. Zum Beispiel über Professor Henrik Mouritsen von der Universität Oldenburg, der zusammen mit B. Frost unter kontrollierten Bedingungen den Einfluss unterschiedlicher Faktoren auf das Flugverhalten untersuchte und bestätigte, dass auch Schmetterlinge, wie die Zugvögel, über einen zeitkompensierten Sonnenkompass verfügen.Um die richtige Richtung einzuschlagen, müssen die Tagfalter die Sonne direkt sehen, bei bedecktem Himmel werden sie orientierungslos. Ob der Winkel des Sonnenstandes über dem Horizont, die Lichtintensität oder das Spektrum des Sonnenlichts die entscheidenden Signale sind, weiß man noch nicht. Es gibt einige hundert Wanderfalterarten, der größte Teil davon sind Nachtfalter. Doch nachts funktioniert die Navigation nach dem Stand der Sonne nicht. Wie orientieren sich Nachtfalter? Es ist nach Mouritsen nicht auszuschließen, dass wandernde Nachtfalter – wie nachts ziehende Vögel auch – das Magnetfeld der Erde zur Navigation nutzen. Ein spannendes Forschungsgebiet auf dem es noch viel zu enträtseln und zu entdecken gibt!

Vielleicht hast du Feuer gefangen und schaust dich nun auch nach reisenden Distelfaltern um? Es könnte sein, dass diejenigen die bei dir ankommen vor kurzem noch bei mir auf Sardinien einen Zwischenstopp eingelegt hatten. Spuren der langen Reise sind zerfranste und ausgebrochene Flügelränder. Gelegentlich sehen sie auch schon etwas ausgeblichen aus. Derart „abgeflogene“ Schmetterlinge haben also u.U. schon viele Streckenkilometer hinter sich, während die vor Ort geschlüpften Exemplare unversehrt sind und frische Farben haben.

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